Der Reiseveranstalter Ostwind über sich

    So lautete der freche Slogan in der Anfangszeit des Reiseveranstalters "Ostwind". Riga war noch ein Geheimtip. In die Westukraine traute sich erst recht niemand. Die Qualität der Quartiere ließ zugegebenermaßen einige Wünsche offen. Bröckelde Faserplattenmöbel waren in seltenen Fällen sogar in Viersternehotels zu finden. Aber die Städte, Konzerthallen, Galerien, Burgen, Museen, Berge, Felsen, Höhlen, Seen, Alleen, Weinhänge, Restaurants, nicht zu vergessen die Herzlichkeit der Gastgeber waren schon immer eine Reise in den Osten wert.
    Von den Medien wurde ein Zerrbild über den Osten Europas geschürt. Angeblich fing gleich hinter der Oder ein schmuddliges Mafiareich an. Mit den Strukturen von Zigarettenschmuggel oder Menschenhandel kam aber keiner unserer Reiseteilnehmer je in Berührung.
    Laut Polizeistatistik geht es in vielen der ehemaligen Ostblockländer friedlicher zu als in Spanien oder Italien. Bürokratie und Korruption soll es angeblich auch unserem hervorragend zivilisierten Westen geben. Erfolgreiche amerikanische Geschäftsleute gelten in Deutschland als tüchtig und clever. Erfolgreiche russische gelten fast automatisch als kriminell.
    Mit der Jahrtausendwende begann ein Umdenken, nicht mehr jede Abweichung in den Lebensgewohnheiten wurde als minderwertig degradiert. Typisch dafür ist der ausgewogene NDR-Bericht 2003 (Nicola von Oppel, Dethlev Cordts, 45 min) über Irgisly, ein abgelegenes Dörfchen im Ural. Die Leute dort erwirtschaften trotz harter Arbeit kaum finanzielle Reserven, eine Kuh pro Familie ist zum Überleben des Winters fast unabdingbar. Andererseits fühlen sich alle in ihrer weiträumigen Landschaft recht wohl, verstehen zu teilen und zu feiern. Da Bauland und Bauholz recht preiswert zu bekommen sind, bewohnt immerhin fast jede Familie ihre eigene gemütliche Blockbohlen-Immobilie. Die Aktivitäten der Kinder erinnern an die Bullerbü-Geschichten, Irgislys einziger Exportschlager ist Baschkirischer Wildbienenhonig. Erstaunlich sind die Statements der Schulabgänger, die nach einer soliden Ausbildung in der weiten Welt wieder in ihr Dorf zurückkommen möchten.
    Neben der Bullerbü-Bande am Ende Europas trifft man vielleicht auch auf Alp-Öhi und Heidi heutzutage eher im Osten als in den Alpen, sogar einige Erwachsene auf manchen Almen der Karpaten wollen ihr Dasein ohne Strom und ohne Müll nicht gegen ein Leben im Tal eintauschen. Es gibt tatsächlich noch die barfüßigen Kräuterkundlerinnen, die sich weder ihres reichen Wissens bewußt sind noch in Schuhen durch die Berge stapfen möchten. Das andere Gesicht von Europas Osten sind lebensfrohe Städte, in denen Internetcafes dichter stehen als in vielen Metropolen des Westens.
    Im Zuge der EU-Osterweiterung fielen weitere Hemmschwellen unter den Deutschen gegenüber der Osthälfte Europas. Bulgariens Küste ist schon in der Hand großer Tourismuskonzerne. Auch einige Paddelgegenden in den Masuren erreichen allmählich ihre Kapazitätsgrenzen. Natürlich gehen Komfortzuwächse überall mit Preissteigerungen Hand in Hand.
    Wir freuen uns über Vereinfachungen auf unseren Wegen nach Osten, bleiben aber weiterhin auf der Suche nach Erlebnissen, bei denen man mehr über das Land selbst als über das Hordenverhalten in Touristenzentren lernen kann. Wir sind überzeugt, die Sicherheit unserer Kunden auch in Ländern mit geringem Durchschnitteinkommen gewährleisten zu können, die Weinhänge und Klöster Moldawiens oder die Burgen und Strände Albaniens sind einen Besuch wert.
    Wer es dagegen luxeriös mag, findet schon kurz hinter Deutschlands Ostgrenze frisch renovierte Adelspaläste mit Gästezimmern zu immer noch erschwinglichen Preisen.

Der Weg ist das Ziel, genussvolles Unterwegssein ist wesentlicher Bestandteil unserer Reisen. Gib deinem Leben die Hand und lass dich überraschen, welche Wege es mit dir geht. Werner Bethmann Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise. Höchste Zeit ist´s: Reise, reise! Wilhelm Busch Der Reisende sieht Dinge, die ihm unterwegs begegnen, der Tourist sieht das, was er sich vorgenommen hat zu sehen. Gilbert Keith Chesterton Wem Gott will rechte Gunst erweisen, Den schickt er in die weite Welt, ... Joseph Freiherr von Eichendorff, ersten Lied in "Aus dem Leben eines Taugenichts" Wer sich im Urlaub wie zu Hause fühlen möchte, sollte lieber gleich zu Hause bleiben. Till Eitel, aus "Reisende Worte" Ich möchte Weltenbürger sein, überall zu Hause und überall unterwegs. Erasmus von Rotterdam Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen. Johann Wolfgang von Goethe Eine Reise ist ein Trunk aus der Quelle des Lebens. Friedrich Hebbel Das Leben ist eine Reise. Nimm nicht zu viel Gepäck mit. Billy Idol, Interview 2010 Jede Reise ist im Grunde eine Reise zu sich selbst. Horst Krüger Hinter jeder Ecke lauern ein paar Richtungen. Stanisław Jerzy Lec, aus "Unfrisierte Gedanken" Die eigentlichen Entdeckungsreisen bestehen nicht im Kennenlernen neuer Landstriche, sondern darin, etwas mit anderen Augen zu sehen. Marcel Proust Kein Crösus und kein Alexander vermögen die tausendjährige Eiche in ihrer Majestät wieder herzustellen, wenn sie einmal gefällt ist. Hermann Fürst von Pückler-Muskau Denn nur aufs Ziel sehen verdirbt die Lust am Reisen. Friedrich Rückert, aus "Die Weisheit des Brahmanen" Ach nein, nicht die Autobahn, wir machen hier keine Geometrie, wir reisen. Such uns hübsche, kleine Seitenstraßen, die uns alles zeigen, was es zu sehen gibt. Eric-Emmanuel Schmitt, aus "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" Die Nachtzüge sind voller Gespenster und voller Königreiche. Charles Trenet, Beginn des Chansons "Beim Verlassen der Stadt" Umwege erweitern die Ortskenntnis. Kurt Tucholsky Mit dem Wort Tourist assoziiert man Hast und Eile und Herdentrieb. Evelyn Waugh, aus "Mediterranean Journal" Tourismus ist wie Feuer. Du kannst damit dein Essen kochen oder dein Haus abbrennen. diverse Quellenangaben

    Nachtrag: Unter dem Titel "Erntezeit im Ural" entstand 2015 praktisch eine Fortsetzung der Reportage über Irgisly.