der Bahnhof Poprad ist einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte für Slowakei-Touristen, von hier fährt auch ein Autoreisezug nach Prag, Aufnahme während der Renovierung 2009

Der Autoreisenachtbummelzug (Schiene 2003)

Autoreisezüge in die Ostslowakei

    Der unten stehende Bericht wurde in Schiene (Magazin für Eisenbahn, Verkehrspolitik und Reisekultur) 2003 veröffentlicht. Diese verkehrspolitisch engagierte Zeitschrift des Joachim Seyferth Verlages belebte zwischen 1982 und 2008 die Presselandschaft. Kürzere Artikel erschienen unter Titeln wie "Der geheime Autoreisenachtbummelzug aus den Karpaten" in weiteren Publikationen.
    Wie es sich für ein auf Kundenzufriedenheit bedachtes Dienstleistungsunternehmen schickt, nimmt sich die Tourismus-Agentur "Wege nach Osten" auch Zeit für Leute, die erst mal gar nichts kaufen wollen. Zu den Informationen, die dabei am häufigsten abgefragt werden, gehören Angaben zu den Autoreisezügen zwischen der Ostslowakei und Prag. Wir wünschen gute Reise!

Stand 2013

    Die erwähnte Bauhöhengrenze wurde im letzten Jahr angehoben, der Grundpreis gilt nun für Fahrzeuge bis 160 cm, mit einem deutlichen Preisaufschlag sind Fahrzeuge bis zu 200 cm möglich. Zwischen Prag und Poprad bleibt es bei einem Zugpaar nachts, von und nach Košice kommt zu dem Zugpaar nachts noch eins tagsüber hinzu, Košice ist übrigens in diesem Jahr "Kulturhauptstadt Europas".
    Hier die aktuellen Fahrtzeiten und Kosten als PDF:
http://www.slovakrail.sk/uploads/tx_main/2012/12/12/autovlak_2012_2013_cenniky.pdf
    und als HTML-Anzeige unter abgeänderter Adresse:
http://www.slovakrail.sk/preprava-osob/zahranicie/produkty-a-zlavy1/autovlak-do-ceskej-republiky.html
    Das Angebot wird bald noch erweitert durch Nachtzüge zwischen Bratislava und Humenné.

Stand 2011

    Die Preise haben moderat angezogen, Grenzkontrollen gibt es nicht mehr (Schengener Abkommen), das wären die beiden wesentlichen Änderungen.
    Eine Reservierung von Deutschland aus ist nach wie vor nicht möglich.
    Die Internet-Darstellung der slowakischen Bahngesellschaft rechnet in Euro und ist etwas übersichtlicher als die der tschechischen.
    Der Verfasser des Erlebnisberichtes disqualifizierte sich leider selbst, indem er derzeit mit einem sogenannten Hochdach-Kombi unterwegs ist, während die Autoverladung für diese Strecke nur Bauhöhen bis 155 cm erlaubt.

Stand 2006

    Nun gibt es die Automitnahme per Zug zwischen Prag und der Ostslowakei schon täglich mit zwei verschiedenen Endbahnhöfen, aber niemand weiß davon: Am Prager Hauptbahnhof beginnen die Geheimnisse der Karpaten!
    Eigentlich handelt es sich nur um je zwei Verladewaggons, die in Poprad und Košice an die Nachtzüge Laborec beziehungsweise Cassovia je nach Richtung ab- oder angehängt werden. Die Bahnfahrt von Auto und Fahrer kostet weniger als das Benzingeld, Kinder bis zu sechs Jahren dürfen gratis mit. Man schaukelt gemächlich durch die Nacht, Autotouristen sparen eine ganze Tagesetappe. Warum für diese oft unausgelasteten Züge kaum Werbung existiert, ist schleierhaft. Übrigens hält Martins im Erlebnisbericht erwähnte Begeisterung für die Eisenbahn an, er kennt sich mit Eisenbahntechnik besser aus als die meisten Erwachsenen.
    Fahrkarten für die Autozüge bekommt man ausschließlich in größeren Bahnhöfen der beiden betreffenden Länder, der Kauf kann bis zu einer Stunde dauern. Um alle Fragen beantworten zu können, sollte man die Fahrzeugpapiere dabei haben. Ein Schlafplatz kostet geringfügig mehr als ein Liegeplatz, dafür gibt´s einige Extras wie die komplett deutschsprachige Prager Zeitung mit Veranstaltungshinweisen. Die Verladung selbst ist normalerweise unproblematisch, in der Umgebung der Verladestellen befinden sich auch Lebensmittelgeschäfte mit leckeren regionalen Spezialitäten.

Erlebnisbericht 2003

    Es war Zufall, dass ich auf den Autoreisezug zwischen Prag und Poprad aufmerksam wurde. Bei einer Recherche zu touristischen Informationen über die Slowakei hatte ich im Jahre 2001 das kleine Berliner Büro der Slowakischen Staatsbahn gebeten, mir ein Kursbuch zukommen zu lassen. Ich erhielt nicht nur gratis ein aktuelles, sondern auch weitere Beilagen wie Ansichtskarten mit originellen Schienenfahrzeugen. Erst nach wiederholtem Durchblättern fiel mir ein bescheidenes Zettelchen mit der Überschrift AUTOVLAK auf, welches den besagten Autoreisezug beschrieb. Damals verkehrte er nur zweimal wöchentlich pro Richtung, inzwischen fährt er täglich. Später fand ich auch die Slowakische Staatsbahn unter www.zsr.sk im Internet, neben dem Zettelchen die einzige mir bekannte Informationsquelle über den Autoreisezug. Sonstige Reklame sah ich nirgendwo, nicht einmal auf Bahnhöfen. Unter meinen Freunden und Geschäftspartnern der Slowakei kannte keiner diese Verbindung, sogar touristische Informationsbüros zeigten sich überrascht und kopierten fix meinen Internet-Ausdruck.
    Eigentlich handelt es sich nicht um einen Autoreisezug, sondern um ein Anhängsel an den Schnellzug Laborec zwischen Prag und Humenné. Früher fuhr der Laborec noch 41 Kilometer weiter bis Medzilaborce, einer hinterwäldlerischen Kleinstadt mit der einzigen festen Andy-Warhol-Ausstellung Europas. Die Eltern des Künstlers stammen aus diesem Dreiländereck, in seinem Testament vermachte Warhol der nächstgelegenen Stadt einige Originale. Der Name Laborec kommt von einem 129 Kilometer langen Fluß, welcher in den Beskiden entspringt.
    Zwischen Prag und Humenné liegt nahe bei vielen attraktiven Sehenswürdigkeiten der Slowakei die 53 000 Einwohner große Stadt Poprad, unter deutschen Touristen die vielleicht bekannteste Stadt im Karpatenraum. Dort werden am Laborec ein Autowaggon und ein Liegewaggon abgehängt beziehungsweise in der Gegenrichtung angehängt, deshalb hat er in Poprad auch zehn Minuten Aufenthalt. Besonders der Preis macht diesen Zug interessant, der Autostellplatz einschließlich Fahrerticket kostet umgerechnet nur 30 Euro. Das ist nicht mehr als das Benzingeld für diese Strecke, und Kinder bis zu sechs Jahren dürfen sowieso gratis mitfahren. Bei entsprechend konstellierter Autobesatzung ist also die Fahrt schon ohne Berücksichtigung sonstiger Autokosten umsonst, für die Bezeichnung Schnellzug sollte der Bahnkunde indes eine gewisse Toleranz mitbringen. Man bummelt mehr oder weniger schlafend 600 Kilometer in neun Stunden herum und erreicht sein Ziel am frühen Morgen, eine spätere Abfahrt in Poprad oder gar eine frühere Ankunft in Prag würden jedoch kaum Vorteile bringen. Oft hat der Zug 20 Minuten Verspätung, was dem Tagesrhythmus insbesondere von Urlaubern sogar entgegenkommt.
    Die erste Hürde zur Mitfahrt im Autoreisezug wird also genommen, indem man überhaupt von ihm erfährt. Die zweite Hürde ist, sich das entsprechende Ticket zu beschaffen. Das funktioniert nur in größeren Bahnhöfen der beiden betreffenden Länder, in der Slowakei sind das 71. Für deutsche Reisebüros ist dieser Zug exotischer als Flugverbindungen in der Südsee, selbst echte Profis unter den deutschen Bahnagenturen werfen das Handtuch. Will man die Fahrkarte in einem anderen als dem Poprader Bahnhof erwerben, muss man jedoch Geduld mitbringen.

    Zwei meiner Kaufversuche endeten erfolglos:
    In Starý Smokovec war einmal das PC-System des gesamten Bahnhofs mehrere Stunden lang ausgefallen, und Horný Lideč (immerhin Grenzbahnhof an einer Hauptstrecke) war noch gar nicht an die Buchungszentrale angeschlossen. Nie jedoch verließ ich einen Bahnhof mit funktionierendem PC-Zugang, ohne die (fast) korrekten Tickets für den Autoreisezug mitzunehmen (ein falscher Buchstabe beispielsweise beim Autokennzeichen führt nicht zu Problemen). Nie kam einer Bearbeiterin der Gedanke, die Flinte ins Korn zu werfen oder auch nur die Knobelei einer Kollegin überzuhelfen. Einmal wurde mir das im Autostellplatz schon enthaltene Fahrerticket nochmals berechnet, was ich am Reisetag gegen eine erträgliche Stornogebühr korrigieren konnte.

    Einen weiteren misslungenen Kaufversuch kenne ich von einem Freund:
    Ihm wurde gesagt, dass die Autostellplätze für den gewünschten Tag ausverkauft seien. Ich hatte kurz vorher gebucht und sah bei der Verladung dann mit eigenen Augen, dass auf den zehn vorhandenen Stellplätzen nur fünf Autos mitfuhren.

    Ansonsten läuft es beispielsweise so ab:
    Falls im Bahnhof mehrere Schalter geöffnet haben, steuere ich einen mit dem Wort INTERNATIONAL oder RESERVIERUNG gekennzeichneten an. Ich brauche nicht lange zu warten, um mein Anliegen vorzubringen. Meistens sitzt hinter der Scheibe eine Frau um die 50 mit mittellangen Haaren ohne jegliche Fremdsprachenkenntnisse, die mich trotzdem prompt versteht. Dass es diesen Autoreisezug gibt, daran scheint sie nicht zu zweifeln. Aber irgendwann wird sie im Laufe unserer Kommunikation offenherzig eingestehn, dass sie erstmals dafür eine Fahrkarte ausstellt. Zunächst redet sie mit Kollegen und blättert in Nachschlagewerken, hinter mir stauen sich inzwischen weitere Bahnkunden. Ihnen wird kurz klargemacht, dass mein Fall eine Weile dauern kann. Niemand murrt, zumal die Schlange mitunter zu einem sich plötzlich öffnenden Nachbarschalter umgelenkt wird. Auf die Anforderung einiger Angaben zum Auto (Kennzeichen, Länge, Höhe, ...) habe ich es mir angewöhnt, meiner Bearbeiterin gleich die Fahrzeugzulassung zu reichen. An dieser Stelle frage ich mich immer, ob mein Gegenüber bei noch geringeren verbalen Gemeinsamkeiten auf die Idee einer Skizze käme. Ziemlich zügig wird nun am Bildschirm ein Formular ausgefüllt, erleichtert drückt die Frau den Befehl zum Ausdruck des Tickets. Aber die PC-Technik ist überall in der Welt stur, auch jetzt wird ein SYNTAX ERROR erkannt. Der Bildschirm steht so, dass ich das ausgefüllte Formular kontrollieren kann. Beiden ratlos guckenden Köpfen fällt nicht ein, was falsch sein könnte. Meine Bearbeiterin schnappt sich einen Telefonhörer und ruft eine Bahnzentrale an, die mit uns mehrmals Schritt für Schritt das Formular erfolglos durchgeht. Irgendwann taucht dann beispielsweise die Idee auf, die Frage nach dem Hänger einfach freizulassen statt zu verneinen. So, nun hat das Auto seine Fahrkarte. Jetzt fehlt noch mein Liegeplatz, der souverän gebucht wird. In der Regel endet mein Schaltergespräch nach etwa 30 Minuten, mein bisheriger Rekord liegt bei 55 Minuten. Lediglich das eingespielte Team in Poprad schafft es unter 10 Minuten, da es offensichtlich mit allen Stolperstellen des PC-Programms vertraut ist.

    Verladeformalitäten und Verladung sind dagegen ein Kinderspiel. In Poprad ist die Rampe links neben dem Bahnhof schnell zu finden. Bei einem freundlichen "Dobrý večer!" mit Germanenakzent schmelzen die Zöllner dahin. Danach soll ich auf einem Formular vorhandene Beulen am Auto angeben.
    Mitunter beginne ich ein Gespräch mit dem Liegewagenschaffner. Einer legte mir eindringlich nahe, mein Abteil von innen mehrmals zu verriegeln. Dabei sprach er ein Deutsch, wie man es vom Puppentheater "Spejbl & Hurvinek" her kennt. Ein anderer verkaufte mir das miserabelste Tschechenbier meines bisherigen Lebens, "Das Bier Rudolfs II." laut Etikett. Als versponnenen Alchimisten ohne Durchsetzungskraft kannte ich diesen Prager Renaissance-König bereits, offensichtlich war er auch Getränkemasochist. Brrr!
    Da halte ich mich lieber an meine landestypische Kaufhallenbeute wie Wacholderschnaps, leckeren Räucherkäse oder kleine Waffelpäckchen. Meine Kaloriengier hält sich sowieso in Grenzen, da ich vor der Verladung immer ein bewährtes Spezialitätenrestaurant im Stadtzentrum besuche. Die mit Liptauer Käse gefüllten Teigtäschchen in Specksoße kosten überall weniger als umgerechnet zwei Euro pro Portion, allerdings sind sie in anderen Gaststätten oft zerkocht.
    Erst bei meiner fünften Tour gab mir der nette junge Liegewagenschaffner Radovan Vopalecký einen kleinen dreisprachigen Speiseplan, vorher hatte mir außer dem Bier noch niemand etwas angeboten.
    Undurchsichtig bleibt mir bei meinem Autoreisezug weiterhin, für welchen Liege- oder Schlafwaggon mein erworbenes Ticket gilt. Auch die Bearbeiterin am Schalter ist meistens absolut ahnungslos, wo sie mich einquartiert. Der Preis zwischen Liege- und Schlafplatz differiert nur minimal, im Schlafabteil ist es etwas bequemer und es gibt hübsche Zugaben wie die Prager Zeitung (komplett in Deutsch). Da stehen auch Veranstaltungshinweise drin, gern würde ich beispielsweise einmal den vorzüglichen Jazzer Jiří Stivín erleben. Am besten finde ich es trotzdem, wenn ich mich gleich in Poprad in dem am Autowaggon bereitstehenden Liegewaggon einrichten darf. Sonst kann ich erst nach Einfahrt des Zuges aus Humenné meinen Platz besetzen, das wiegt die Vorteile des Schlafplatzes nicht auf. Radovan Vopalecký hat ein Einsehen und lässt mich in seinem halbleeren Waggon bleiben, obwohl ich laut Ticket in der Zugmitte durch die Nacht rumpeln sollte.
    Im Abteil bin ich allein, je nach Jahreszeit dringen Reflexe im Schneematsch oder Zirpereien der Heuschrecken durchs Fenster. Die Temperatureinstellung des Abteils folgt nur sehr träge meinen Intensionen, manchmal widersetzt sie sich jeglichen Änderungswünschen. Auf den Bahnsteigen größerer Bahnhöfe hängen inzwischen meistens gut lesbare Schilder, der Name steht in weißer Schrift auf blauem Grund.
    Nach dem ersten Tiefschlaf ein forsches Klopfen an der Tür, die Tschechen wollen meinen Pass sehen.
    Einmal waren meine Kinder mit in der Slowakei. Für den Dreijährigen stellte der Autoreisezug den Höhepunkt des Urlaubs dar. Immer noch höre ich regelmäßig: "Martin wieder Autozug fahren? Von die Lobakei?"
    Autofahrer schonen mit dem Autoreisezug zwar ihre Nerven, schränken aber auch ihre Flexibilität ein. Falls ich mit meiner Tagesordnung schon gegen 14 Uhr fertig bin, könnte ich bis zur Verladung auch schon fast am Entladeort sein. Ich lese, mache einen Einkaufsbummel oder besuche ein Museum. Bei prächtigem Winterwetter fuhr ich einmal in Richtung Dunajec, die feste Schneedecke auf der Magura-Paßstraße war eine richtige Wohltat. Zu Hause rege ich mich immer maßlos auf, wenn wegen ein paar Scheeflocken (oder sogar vorher) die Straße mit ätzendem Pökelsalz paniert wird. Die Slowaken scheinen dagegen ihren ansonsten oft dreist fahrenden Landsleuten gewisse Winterkenntnisse zuzutrauen, was auch die öffentlichen Kassen entlasten dürfte.
    In Prag reihe ich mich wieder unter die Autofahrer ein und überquere die Moldau. Der schnellste Weg nach Berlin führt ein Stückchen auf einer gebührenpflichten Autobahn entlang. Dafür ist eine Vignette vorgeschrieben. Ich kann also einen Umweg auf der Landstraße fahren, auf eine Autobahn ohne Polizeipräsenz hoffen (sehr riskant), oder Geld tauschen und die Vignette anbringen (eher der Zeitaufwand als der Preis hält mich meistens davon ab). Egal wie ich mich entscheide, mit der Beschaulichkeit ist es jedenfalls vorbei.