die Kinder haben keine Angst, wenn Löwen in ihren Trichtern lauern und Töter dazu singen

Familienführung im Biotop (Märkischer Bogen 2003)

    Der "Kundenkreis" einiger gratis organisierter Ausflüge bestand aus Nachbarn und Freunden, aus dem Personal von Schulen und Kitas, auch hier lernten überraschte Teilnehmer in ihrer unmittelbaren Umgebung einige abwegige Orte kennen. Die Lokalzeitung schilderte eine dieser Exkursionen sehr liebevoll ...

Zwischen Neuntötern und Ameisenlöwen

Sabine Bartels von der Redaktion des "Märkischen Bogens" (Lokalzeitung für Michendorf, Langerwisch und Wilhelmshorst), 2003
Fotos im Heft: zwei schöne Gruppenbilder von der beschriebenen Exkursion, Feldgrille, Wildschweinfamilie, Trichter von Ameisenlöwen
Ausflug ins Biotopschutzgebiet, die ersten Libellen sind auch schon da
Eine gefährliche Exkursion zur Kieskute (Sabines Artikel)

    Wie oft bin ich schon an der ehemaligen Kieskute auf der B2 vorbeigefahren, ohne von ihrer Existenz überhaupt etwas zu wissen?
    Jetzt stehe ich jedenfalls am Rand eines großen Loches (so kommt es mir jedenfalls im ersten Moment vor) und wundere mich, dass es hier überhaupt so große Höhenunterschiede gibt. Um mich wuseln ein halbes Dutzend Kinder, die natürlich von dem steilen Abhang auch fasziniert sind und sofort den Abstieg ausprobieren. Der ist leichter als der Aufstieg zu bewältigen, denn der Sand ist sehr lose und man rutscht bei jedem Schritt wieder ein Stück hinunter.
    Außer den Kindern sind noch einige Erwachsene da, darunter Helmut Matz, der ehrenamtliche Naturschutzhelfer, NABU-Mitglied und seit 15 Jahren Gebietsbetreuer der Kieskute. Wir laufen los, am Rand der Grube entlang und obwohl es auf den ersten Blick nichts Besonderes zu Sehen gibt, finden wir doch immer mehr Interessantes: Auf dem Weg sind kleine Löcher, in denen Wildbienen mit glänzendem Hinterteil ihre Nachkommen aufwachsen lassen wollen, rote Schlupfwespen schwirren herum und warten gerade auf die Bienenlarven, um selbst ihre Eier da hinein zu legen. Ein Zilp-Zalp zalpt im Wald und alle holen ihre Ferngläser heraus, als ein Roter Milan über uns kreist.
    72 Vogelarten kann man hier als Brutvögel oder Nahrungsgäste finden, darunter Baumfalke, Wendehals und Flußregenpfeifer, selbst Fisch- und Seeadler wurden schon beobachtet. Am ehesten kann man die Vögel am frühen Morgen beobachten, wenn man geduldig wartet und still bleibt. Heute morgen hat Helmut Matz auch den Pirol gesehen, dessen langgezogene Rufe wir später aus den frischbelaubten Birken hören.
    Im Südteil der Grube, wo noch Sand abgebaut wird, nistet auch eine Uferschwalbenkolonie. Früher gab es in guten Jahren bis zu 600 Brutpaare, aber durch neue Abbaugeräte sind die Abbruchkanten flacher, so dass heute nur noch 30 Paare Platz für ihre Höhlen finden.
    Wir laufen weiter, tatsächlich sieht eines der Kinder eine Waldeidechse, alle kommen an und wollen sie auch sehen: grau-braun huscht sie durch das trockene Laub vom letzten Jahr, bis sie irgendwo verschwunden ist.
    Die nächste Attraktion ist ein Schnellkäfer: ganz klein und schwarz krabbelt er durch den Sand, aber wenn man versucht, ihn zu greifen und er sich in Gefahr fühlt, schnellt er sich mit seinem Körper hoch in die Luft und entgeht so der Verfolgung. Es schaut aus, wie ein winziger Gummiball, der durchs Gras hüpft.
    An einem trockenen Sandabbruch finden wir viele Krater der „gefährlichen“ Ameisenlöwen. Die Ameisen fallen in die Krater und kommen auf dem losen Sand nicht mehr heraus. Der Ameisenlöwe bewirft sie sogar noch mit Sand, damit sie bis zum Grund des Kraters rutschen und er sie aussaugen kann. Steve hat so ein Tierchen gefangen. Es ist grau und läuft nur rückwärts auf seiner Hand. Wenn die „Löwen“ 3 Jahre lang genug Ameisen gefressen haben, verwandeln sie sich in ein libellenartiges Insekt mit bis zu 85 mm langen durchsichtigen Flügeln.
    Die Kinder haben schon wieder etwas Neues entdeckt: im Gras zirpt etwas und sie suchen den Verursacher. Johannes findet ihn: es ist eine recht große Feldgrille. Er nimmt sie auf die Hand, wo wir sie gut beobachten können: schwarz glänzend, mit einem breiten, kugeligen Kopf und durchscheinenden Flügeln. Für das Foto will sie allerdings nicht recht still halten, aber dann klappt es doch.
    Wir kommen zu einem kleinen Aussichtsturm und unerwartet liegen unter uns einige kleine Seen und Moorgebiete. Um den Artenreichtum der Teiche, Moore und Trockengebiete zu erhalten, machen die Naturschützer alljährlich Arbeitseinsätze. Dabei werden die kräftig wachsenden Büsche und jungen Bäume abgeschnitten und zu Totholzhaufen aufgeschlichtet. Diese Haufen dienen wiederum vielen Tieren als Wohnort und Versteck.
    Im Teich sehen wir Mengen an Kaulquappen und hören Frösche quaken. Alina wundert sich, warum die Kaulquappen alle auf einem Haufen schwimmen. Wahrscheinlich ist es einfach lustiger zu vielen als alleine.
    Steve sieht einen Molch und eine Libellenlarve schwimmt durch die Wasserpflanzen, Johannes kennt sich aus: eine Nymphe! Die Larven durchläuft 13 Stadien und überwintert 2 bis 5 mal. Erst dann schlüpft die Libelle mit ihren 4 durchsichtigen Flügeln. Hier in der Schottergrube wurden 27 verschiedene Arten gesehen.
    Dann werden wir noch Zeugen eines Dramas: ein Kolbenwasserkäfer hat einen kleinen Molch, man sieht seine orangeroten Flecken, gefangen und schleppt ihn durchs Wasser davon.
    Ein See ist voller Schilf und schon am Verlanden. Wir hören einen Teichrohrsänger, der sein Nest an Schilfrohren aufhängt. Den Neuntöter sehen wir nicht, aber Helmut Matz erzählt, dass er eine Art Vorratshaltung betreibt, indem er Insekten auf Dornen aufspießt.
    Wir überqueren die Wiese auf dem Grund der Grube, Hummeln brummen herum und eine große, gelb-orangene Hornisse schwirrt um einen Totholzhaufen. Vielleicht sucht sie Material für ihr Nest. Hornissen werden zu Unrecht so gefürchtet. Ihr Stich ist nicht schlimmer als der einer Wespe, und somit nur im Mund oder Hals oder für Allergiker gefährlich. Hornissen kommen auch nicht zu den Tischen der Menschen um Futter zu suchen, sie leben vor allem von Fliegen, mögen aber auch gerne reifes Obst und den Honig blühender Linden.
    Katinka tritt auf ein morsches Stück Holz ... iiih, da kommen lauter Ameisen rausgekrabbelt!
    Wer wohnt wohl in dem Loch, das in einen der Schilfhaufen gegraben ist? Es muss ein großes Tier sein, Martin, der Kleinste, könnte hineinkrabbeln und nachschauen. Aber der ist inzwischen ganz müde geworden und will nur noch von seinem Papa getragen werden.
    Mit herzlichem Dank an Helmut Matz, die Naturschützer, die Kinder, die so begeistert dabei waren und Frieder Monzer, der uns zu diesem Ausflug einlud, ...
Ausflug ins Biotopschutzgebiet, die Luftblasen im Eis der Tümpel bilden schöne Muster
Ausflug ins Biotopschutzgebiet, besonders interessieren sich die Kinder für Kaulquappen
Die Kiesgrube als Biotopschutzgebiet (Frieders Ergänzung)

    Die Kiesgrube an der Michendorfer Chaussee gehört noch zum Stadtgebiet von Potsdam. Ihr stillgelegter Teil steht unter Biotopschutz. Die Kombination von Hängen und Trockenflächen mit Tümpeln bietet vielen selten gewordenen Tier- und Pflanzenarten ein Refugium.
    Schon vom "Kraterrand" aus sind viele interessante Beobachtungen möglich. Die empfindliche Tier- und Pflanzenwelt sollte möglichst nicht gestört werden. Der ehrenamtliche Gebietsbetreuer Helmut Matz ist der beste Artenkenner im Biotop. Führungen mit ihm sind nach telefonischer Absprache unter 0331 / 2313223 möglich. Die Gruppe sollte einschließlich Kindern höchstens 25 Personen umfassen.
    In der Vorweihnachtszeit findet alljährlich eine größere Entbuschungsaktion des Naturschutzbundes (NABU) statt. Helfer können sich unter 0331 / 810432 oder 0160 / 4050963 anmelden und als Dankeschön abgeschnittene Bäumchen für ihre Weihnachtsdekorationen mitnehmen. Ohne diese Entbuschungsaktionen würde im "Kratergrund" schnell ein Wäldchen hauptsächlich aus Pappeln und Birken wachsen. Viele der seltenen Insekten und Blütenpflanzen brauchen aber Freiflächen ohne höheren Bewuchs.
    Ein besonderer Kiesgruben-Höhepunkt der letzten Monate war die dicke Eisschicht in den Tümpeln während der kältesten Tage. Das aufsteigende Sumpfgas bildete mit seinen eingefrorenen Blasen überall Perlenschnur- und Rosenmuster. Unter diesen tollen Ornamenten war noch buntes Herbstlaub zu sehen.
ein Jahr später folgten die Wilhelmshorster Lehrer einer Einladung zu einem Biotopspaziergang