Weg zur Fähre bei Kwidzyn im Sommer 2012, umweit davon existiert inzwischen eine Brücke

Interview durch Jens Hansel (2011)

Jens Hansel im Portal polen.pl, 2011
Fotos im Beitrag: Allee mit vier Baumreihen, Gutshof Koszuty, Innenstadt Bydgoszcz
Jens Hansel im Portal polen.pl, 2011
Fotos im Beitrag: Allee mit vier Baumreihen, Gutsh0of Koszuty, Innenstadt Bydgoszcz

Ostreisender mit Mission und Entdeckerfreude

Vor kurzem erschien ein neuer Reiseführer zu einer touristisch bisher eher unbekannten Region Polens, der den Titel "Posen-Thorn-Bromberg" trägt, wir sprachen mit dem Autor über sein Werk.

Monzer lebt in Berlin und hat, wie er uns erzählen wird, schon lange einen Hang zum Slawischen. Warum er sich bei der Auswahl der Reiseregion gerade für diesen Bereich Polens entschieden hat, was seine persönlichen Highlights in der Region sind und warum nicht nur Polen-Fans diesen Teil des Landes unbedingt einmal besuchen sollten, um diese Themen drehte sich das Gespräch. Frieder Monzer begeisterte im Gespräch mit großer Sachkompetenz zu historischen wie aktuellen Themen des Landes und besonders der Region Poznań (Posen), Toruń (Thorn) und Bydgoszcz (Bromberg) sowie mit spannenden Geschichten und Anekdoten aus seinen Reisen.

Wie kommt man darauf, einen Reiseführer über Posen, Thorn und Bromberg zu schreiben? 

Frieder: (lacht) Das haben mich schon viele gefragt, die Antwort ist eigentlich ganz einfach. Es lohnt sich, darüber einen Reiseführer zu schreiben. Nicht unbedingt finanziell, da Reiseführer für bekannte Gebiete wie die Ostseeküste höhere Auflagen haben. Aber für alle, die Polen abseits der üblichen Touristentreffpunkte kennenlernen wollen, bietet diese schnell erreichbare Gegend viel. Da ist mein Buch eine persönliche und doch ausgewogene Tipp-Sammlung.

Kurz noch einmal für die Verortung des Einzugsbereichs: Welche polnischen Regionen werden im Reiseguide beschrieben?

Frieder: "Posen-Thorn-Bromberg, mit Großpolen, Kujawien und Südostpommern" lautet der Titel. Das klingt etwas sperrig, was daran liegt, dass man das Gebiet schwer so benennen kann, dass sich jeder etwas darunter vorstellen kann! Im Fokus stehen die heutigen Verwaltungsbezirke Großpolen und Kujawien-Pommern mit rund fünfeinhalb Millionen Einwohnern, doch wer, der sich nicht intensiv mit Polen beschäftigt, kann mit den Bezirksnamen etwas anfangen?
Ich hatte auch Titel im Kopf wie "Polens Keimzelle" oder "Zwischen Warthe und Weichsel". Geworden ist es am Ende die Nennung der bekannteren Städte, was bei den Lesern am besten eine regionale Zuordnung beim ersten Draufschauen ermöglicht. Leider wird damit nicht so deutlich, dass ich mich neben den Städten auch sehr der umliegenden Natur bis hin zu Vorschlägen fürs Paddeln und Radeln gewidmet habe.

Was sollte jemanden bewegen, die Region zu besuchen?

Frieder: Genau diese Frage. Zu wenige Touristen kennen das Gebiet, was auch daran liegt, dass die ehemals grauen Städte Posen und Bromberg zur Zeit des Realsozialismus kein besonders attraktives Image vor sich hertrugen. Doch sie haben sich in der Zwischenzeit sehr gemausert.
Thorn dagegen war schon immer sehr pittoresk. Ich persönlich mag  seit meiner Jugendzeit Thorn sogar noch lieber als Krakau. Die Stadt mit ihrem Flair, ihrer spätmittelalterlichen Architektur und ihrer studentischen Lebendigkeit begeistert mich immer wieder aufs Neue. Dazu kommen herrliche ländliche Gebiete mit vielen Badeseen, vielen traditionellen Holzbauten und vielen plüschigen Provinzschlössern.
Bahnfreunde freuen sich über Raritäten wie eine tägliche Normalspur-Dampflok-Linie.
Nicht zuletzt spricht auch die ökologische und die ökonomische Seite dafür: In drei bis vier Stunden kann man von Berlin aus mitten in die vorgestellte Region reisen; ohne langen Flug, ohne stressige Fahrt. Und vor Ort lässt es sich preiswert leben; in manchen schicken Hotel bezahlt man weniger als auf manchem dänischen Campingplatz, sogar der Tourismus in die Ukraine ist derzeit im Vergleich dazu oft teurer.

Da möchte ich noch einmal nachfragen: Wie entstand Deine Begeisterung für Thorn?

Frieder: Als DDR-Bürger hatte man für Urlaubsfahrten nur einige Länder im "sozialistischen Lager" zur Auswahl. So kam ich 1980 erstmals nach Thorn, lernte Land und Leute schätzen und beschäftigte mich unter anderem intensiv mit der polnischen Musik. Auch andere slawische Länder bereiste ich sehr gern, etwa die Slowakei. Als Physiker fiel es mir schwer, nach einer familienbedingt längeren beruflichen Auszeit wieder in meinem Beruf einzusteigen. Deswegen begann ich, mein Know-how über die Osthälfte Europas als Beruf und Berufung auszubauen. Das wiederum kombiniere ich oft mit meinem ökologischen Anspruch …aber nun schweife ich ab (lächelt).
Zurück zu Thorn: Die Stadt ist einfach magisch für mich, nicht nur in den Pfefferkuchen-Backstuben…

Ganz direkt gefragt: An wen richtet sich der Reiseführer?

Frieder: An alle, die sich für die Region interessieren oder sich auf diese einlassen möchten. Das können Geschäftsleute sein, die zu einer Konferenz oder Messe geschickt werden, das können Ahnenforscher sein, die auf den Spuren ihrer Familie sind, das können Leute sein, die nicht viel Geld ausgeben können oder die nicht weit fahren möchten, um einen schönen Urlaub zu verbringen. Polen bietet vieles, was für slawische Kultur als typisch gilt bis hin zu spontaner Gastfreundschaft.
Mit einer Familie aus Konin bin ich seit meiner ersten Tour 1980 befreundet.
Weil da auch der Weg zum Ziel werden kann, habe ich im Reiseführer Anfahrtsbeschreibungen aus Deutschland einbezogen: So findet man Tipps für Sehenswürdigkeiten auf dem Wege, sogar eine Fahrradroute ab Berlin in die Region, die vielen Paddel- und Radtourmöglichkeiten in Polen (allerdings noch meistens ohne spezielle Radwege) sind geradezu prädestiniert für Aktivurlauber.

Wenn die Region doch touristisch nicht so erschlossen ist, bekommt man dort einen komfortablen Urlaub hin?

Frieder: Ein eindeutiges Ja. Wer bequem übernachten möchte, findet in den Städten gute bis sehr gute Hotels, aber auch auf dem Land viele hochwertige Unterkünfte. Oft befinden sich Provinzhotels in schicken alten Gutshäusern, was eine tolle Atmosphäre bietet. An der Unterkunft wird es also nicht mangeln, am Essen sowieso nicht. Wenn auch E.T.A. Hoffmann einmal klagte über "die polnische Kost, unverdaulich für den deutschen Magen", wird heutzutage jeder etwas Leckeres für sich finden. Übrigens heiratete Hoffmann eine Polin, seine Schwiegereltern wohnten in einem Eckhaus am Posener Marktplatz. Man hat ihm den Kommentar zur Küche nicht übel genommen, es gibt inzwischen sogar ein seinen Stoffen gewidmetes Festival in der Posener Oper.
Außerdem entstehen generell immer mehr interessante Veranstaltungen und Museen, von denen ich viele im Reiseführer vorstelle. Beispielhaft genannt seien einmal der Martinstag oder die Marathon- und Halbmarathon-Veranstaltungen in Posen. Für einen Kulturtrip wie ein verlängertes Wochenende von Berlin aus ist die Region ideal. Meine Empfehlung:
Einfach einmal für zwei oder drei Tage nach Posen, zwei Museen einplanen, Spaziergänge, einen Opernbesuch und ein gutes Essen. Perfekt!

Was ist Dein persönliches Highlight in der Region?

Frieder: Das ist schwer zu sagen, wirklich schwer. Die beeindruckenden Gradierwerke von Ciechocinek beispielsweise, die vorchristlichen Anlagen von Odry oder Biskupien bieten Naturfreunden oft mystische Stimmungen..
Zunehmend geht es mir wie einigen meiner Bekannten, Bromberg hat unter den Städten nach meinem Geschmack in den letzten Jahren am deutlichsten an Attraktivität gewonnen. Einige mögen die Stadt mehr als Thorn, weil sie nicht so ehrwürdig daherkommt. So begeistern mich den vielen Denkmale in der Stadt und das Geschehen auf der Mühleninsel mit dem neuen Museumskomplex.
Die Idee, das Bromberger Zentrum mit einem Seiltänzer neben einer Brücke künstlerisch aufzuwerten, war genial: Die Skulptur bezieht sich auf das bekannte Stadtsymbol der Bogenschützin und wurde an einer ganz auffälligen Stelle platziert, das schafft Identität und ist ein Hingucker.
Ein anderer Höhepunkt, für alle, die schöne Landschaften mögen: Von Posen aus gemütlich die Schlossparks von Rogalin und Kórnik erkunden.
Da habe ich gleich noch einen Geheimtipp für tapfere Naturfreunde, allerdings außerhalb der Region des Reiseführers: Wer durch urtümliche Natur wandern möchte, sollte im Südost-Zipfel Polens die Waldkarpaten besuchen, die Buchenwälder dort im Dreiländereck stehen seit 2007 auf der UNESCO-Welterbeliste.

Wie funktionierte das mit dem Schreiben des Reiseführers? Schwierig?

Frieder: (lacht) Das geschah schubweise und zog sich von der klaren Zusage des Trescher-Verlages bis zum Erscheinen im Buchhandel über mehrere Jahre hin, ich hatte also genügend Zeit, Material zu sammeln und Fotos zu knipsen. Die Zusammenarbeit mit dem Verlag war toll, da kann ich nur loben. Sicher haben wir das eine oder andere Mal über ein passendes Bild diskutiert, aber es ging sehr konstruktiv vorwärts. Mir macht das Schreiben Spaß, ich hoffe, das merkt man beim Benutzen des Reisebuches. Und über Rückmeldungen freue ich mich natürlich auch. Erste Leser sprachen schon von einer "Bibel für dieses Gebiet". Das motiviert natürlich bereits für eine Neuauflage in einigen Jahren.

Vielen Dank für das nette und interessante Interview.
Ich jedenfalls habe mir Posen, Thorn und Bromberg in meinen Reisekalender geschrieben, mit mehr Zeit als sonst beim Durchfahren. Nun ist der Reiseführer ja nun auch gewissermaßen zu einem idealen Zeitpunkt erschienen und eignet sich somit bestens als Weihnachtsgeschenk. Vielleicht liegt er unter dem einen oder anderen Weihnachtsbaum, so dass mehr Menschen diese interessante Region entdecken.
Viel Erfolg wünschen wir weiterhin!


Frieder: Gleichfalls besten Dank. Und Leser können sich bei Fragen dazu einfach bei mir melden.
Frieders Freunde in Konin haben viel zum Gelingen des Buches beigetragen